Die Erben einer türkischen Erblasserin in Deutschland wurden von einem Miterben „bestohlen“ – sie können in Deutschland kein Recht bekommen …
Aufgrund von § 15 des Nachlassabkommens zu Art. 20 des deutsch-türkischen Konsularvertrags von 28.05.1929 ist für Erben in Deutschland verstorbener türkischer Staatsangehöriger, auch wenn sie in Deutschland leben und selbst die deutsche Staatsangehörigkeit haben, die internationale Zuständigkeit der türkischen Gerichte gegeben (bei beweglichem Nachlass).
Das Landgericht Würzburg hat die Klage des deutschen Staatsangehörigen, der seine zuletzt in Deutschland lebende Mutter (türkische Staatsangehörige) neben seinen Geschwistern beerbt hat, entsprechend abgewiesen.
Was war geschehen?
Am Todestag der Mutter geht einer der Brüder mit einem weiteren Bruder, der eine Vollmacht über das Konto der Mutter hat, zur Bank und läßt den kleinen Bruder mit der Vollmacht das Konto der Mutter zugunsten seines eigenen Kontos leerräumen. Dem „kleinen Bruder“ wird dabei gesagt, daß man den Betrag von fast 90.000,– EUR für die Beerdigung der Mutter brauchen würde. Der kleine Bruder ist psychisch labil …
Der erst am Tag nach dem Versterben der Mutter benachrichtigte Hausarzt füllt den Totenschein entsprechend den Angaben des Bruders aus und nimmt nur eine sehr oberflächliche Untersuchung zum tatsächlichen Todeszeitpunkt vor.
Damit wurde der Tod der Mutter um einen Tag verschoben – entsprechend weist die Bank zum Todestag nur noch den kleinen Restbetrag auf dem Konto der Mutter aus.
Alle übrigen Geschwister und der Kläger wissen von der Aktion bei der Bank zunächst nichts.
Später kommt heraus, daß das Konto der Mutter an deren Todestag geplündert wurde und sich der eine Bruder das Geld auf sein privates Konto mit Hilfe der „kleinen Bruders“ überwiesen hat, damit die anderen Geschwister nichts vom dem Erbe bekommen. Auch alles Bargeld und sonstige wertvolle Habe der Mutter (die im Haus des Bruders lebte) ist verschwunden. Noch in der ersten Verhandlung vor Gericht leugnete der Bruder den Geldtransfer, der jedoch durch den Überweisungsbeleg nachgewiesen werden konnte.
Trotz dieser auch strafrechtlich relevanten Handlungen des Bruders, mit der besonderen Zuständigkeit deutscher Gerichte aufgrund des Orts der unerlaubten Handlung, wird der Anspruch als „erbrechtlich“ und damit unter § 15 des Nachlassabkommens fallend (nach dem Sachverständigengutachten) qualifiziert.
Ein Schutz der seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden und teilweise die deutsche Staatsangehörigkeit habenden Miterben kann damit vor einem deutschen Gericht nicht erlangt werden. Alle in Deutschland lebenden Beteiligten sollen dann also den Rechtsstreit in der Türkei vor einem für sie völlig fremden Gericht von Deutschland aus führen.
In der Literatur wird hier seit längerem eine sehr restriktive Auslegung (unter anderem auch keine Anwendung bei deutschen Staatsangehörigen als Erben) gefordert und es sind wohl auch Bestrebungen zu einer Neuregelung des in keiner Weise mehr zeitgemäßen Nachlassabkommens im Gange – derzeit muß jedoch diese, völlig die Erben türkischer Staatsangehöriger benachteiligende, ja auch diskriminierende, Regelung wohl noch akzeptiert werden.
Der Sachverständige hatte auch ausgeführt, daß ein vergleichbarer effektiver Rechtsschutz vor den türkischen Gerichten kaum erreicht werden kann und vermutlich mit Reisekosten und sonstigen Kosten in einer Höhe verbunden wäre, die das gestohlene Erbe im Grunde dann „auffressen“ würden.
Bleibt zu hoffen, daß zumindest die Staatsanwaltschaft sich ordnungsgemäß um die Sache kümmert …
Update November 2013: Die Staatsanwaltschaft hat sich auf eine sehr formale Position zurückgezogen und das Verfahren eingestellt. Wirklich in die Details hinsichtlich der Machenschaften der „bösen Brüder“ ist man nicht gegangen und hat auch einige Aspekte nicht berücksichtigt, so daß es scheinbar nicht für eine Anklageschrift reicht.
Vielleicht wird es aber nach Fortsetzung des Rechtsstreits in der Türkei anders aussehen, wenn dort der „Diebstahl“ am Erbe der Geschwister deutlich wird.